Wie wichtig sind chinesische Mobile Payment Lösungen in Deutschland denn nun wirklich?
Seit der ersten Internetverbindung von China ins Ausland vor 30 Jahren wurde das Internet zu einem der stärksten Wachstumstreiber Chinas. Das Smartphone war für die meisten Chinesen das erste Telefon und gleichzeitig auch der erste Computer. Chinesen haben die vorherigen Technologieentwicklungen einfach übersprungen und setzten sich direkt an die Spitze neuer Entwicklungen.
So wurde China technologisch eines der fortschrittlichsten Länder der Welt. Damit einhergehend hat sich Mobile Payment in den letzten Jahren soweit durchgesetzt, dass Bargeldzahlung in chinesischen Leben fast vollständig verschwunden ist. Davon kann ich aus eigener Erfahrung berichten: Vom Taxi bis zum öffentlichen Nahverkehr, vom Restaurant bis zum Imbiß, vom Gemüsehändler bis zum Bettler: will man in China bezahlen, geschieht dies fast immer per Handy.
Angefangen hat Chinas Weg ins Mobile Payment, als das riesige E-Commerce Unternehmen Alibaba ab 2004 mit der erfolgreichen Entwicklung der Bezahl-App Alipay startete. Die Kombination, dass Chinesen nach wie vor so gut wie nie Kreditkarten nutzen und sie technologisch einen Sprung gemacht haben, von dem wir in Deutschland noch lange träumen werden, führte unter anderem dazu, dass Alipay aktuell über 900 Millionen Nutzer weltweit zählt.
Doch der „Konkurrent“ WeChat holt schnell auf! Neben dem Versenden von Nachrichten nutzen mittlerweile über 850 Millionen User die integrierte Bezahlfunktion WeChat Pay.
Bei der Einführung der Bezahlfunktion 2014 hat mich WeChat mit einer genial-innovativen Vertriebsmarketing-Aktion mal wieder richtig beeindruckt: die Idee der „Roten Umschläge“, mit der sich Chinesen traditionell am Neujahr Geld schenken, entwickelten sie weiter und boten zum Neujahrstag 2014 virtuelle (!) rote Briefe an. Innerhalb von 48 Stunden verschickten die von dieser Neuheit begeisterten Chinesen über 40 Millionen dieser virtuellen roten Umschläge. Die Idee war so begeisternd, dass viele Millionen Chinesen ihr Bankkonto in kürzester Zeit mit der App verbunden haben. Sogar die ältere Generation war nun auch vom Mobile Payment überzeugt, konnte sie so ihren Enkel ohne Aufwand die begehrten rote Umschläge schicken – und war gleichzeitig als cool bei Ihren Enkeln angesehen!
Durch ihre innovativen, extrem benutzerfreundlichen Möglichkeiten wurden Alipay und WeChat Pay zu den beiden größten Zahlungsdienstleistern. Eine unglaublich bequeme Funktion im Mobile Payment unterscheidet China übrigens ganz erheblich von Deutschland: das Bezahlen mit den seit fast zehn Jahren überall verbreiteten QR-Codes! Genial einfach: man muss nur die App öffnen, den QR-Code des Geschäftes, Taxifahrers oder des Restaurants scannen und den zu zahlenden Betrag und die PIN eingeben. Oder aber man ruft in der App den eigenen QR-Code auf, in dem die Kontoinformationen gespeichert sind, und lässt den Kassierer den Code scannen.
Der nächste Schritt ist Alipays Gesichtserkennungssystem „Smile to Pay, bei der biometrische Daten ausgewertet werden, um die Zahlung mit einem Lächeln auszulösen. Noch ist es ein Modellversuch, ich bin jedoch sicher, dass sich dies schnell in China durchsetzen wird.
Die meisten Deutschen stehen dem mobilen Bezahlen noch sehr skeptisch gegenüber. Die entscheidenden Gründe, warum sich Mobile Payment in Deutschland bislang nicht etablieren konnte, sind u.a. Sicherheitsbedenken (Angst vor Internetbetrügern, Datenklau etc.), die geringe Bekanntheit der Anbieter und Angebote, kein bestehender Marktstandart sowie die fehlende Bereitschaft der Händler, die neue Technik einzuführen (vgl. https://de.statista.com).
Dagegen machen sich Chinesen wenig Sorgen wegen Datenschutz und Privatsphäre. Viele sehen eher die Vorteile wie zum Beispiel, dass die Unternehmen den Nutzer genau kennen und dementsprechend genau passende Angebote vorlegen können.
Fazit:
Wenn man die Möglichkeiten in Deutschland mit denen in China vergleicht, kann man sehr schnell der Meinung sein, dass wir hier sehr weit abgeschlagen sind.
Doch zum Glück wachen mehr und mehr auch die deutschen Einzelhändler, Restaurants, Hotels, Anbieter der Tourismusbranche etc. auf und stellen sich auf das Bezahl-Verhalten der lukrativen und enorm wachsenden Zahl der hier lebenden Chinesen und der chinesischen Touristen ein.
In den Flughäfen von München und Frankfurt, bei den Drogeriemärkten DM und Rossmann, dem Modehaus Breuninger, der Juweliergruppe Kraemer sowie vielen Geschäften der Düsseldorfer Königsallee sowie bei Düsseldorf Tourismus können Chinesen mittlerweile bequem mit ihren Apps bargeldlos bezahlen. Anfang November 2018 wurde Stuttgart die erste offizielle „China Pay City“ in Deutschland: der Einsatz von Alipay und WeChat Pay ist in über 50 Standorten in der ganzen Stadt möglich.
Jeder, der Chinesen als Zielgruppe erreichen möchte und dabei nicht die chinesischen Mobile Paymant Lösungen anbietet, wird in absehbarer Zeit zusehen können, wie die anderen das Rennen machen.